Der Kampf um die Moderne

Am 13. März zog die AfD mit 24,3% und 25 Abgeordneten (davon 15 Direktmandate) als stärkste Opposition in den Magdeburger Landtag ein. Die Partei, die 2013 aus einem eurokritischen Diskurs entstand und in weiten Teilen ein Sammelbecken von Reichsbürgern, Verschwörungstheoretikern, Rechtspopulisten, Neuen Rechten und Neoliberalen ist, positioniert sich mit ihren rechtspopulistischen und völkisch-nationalen Äußerungen deutlich rechts. Da alle anderen Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ablehnen, kam es zur ersten Koalition zwischen CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen („Kenia-Koalition“). Auch wenn Sachsen-Anhalt eine gewisse Tradition von unkonventionellem Wahlverhalten zeigt, muss diese Entwicklung besorgen. Die Gründe für diesen Wahlerfolg sind vielfältig und reichen über Bedrohungs- und Abstiegsängste, Unwissenheit gegenüber demokratischen Verfahren, Repräsentationsdefizite, Vereinfachung von komplexen Problemen, der Sehnsucht nach einer „guten alten Zeit“ und eine grundsätzliche Ablehnung der „Zumutungen“ der Moderne.

Welche kulturpolitischen Vorstellungen hat die AfD?

Wenn man sich die Landtagswahlprogramme und öffentlichen Äußerungen auf kulturpolitische Vorstellungen ansieht, dominiert eine „deutsche Leitkultur“, „Bewahrung von kultureller Identität“ und „kulturellem Erbe“, die vor der „Ideologie des Multikulturalismus“ und „importieren kulturellen Strömungen“ bewahrt werden müssen. Wie dies genau geschehen soll, bleibt ebenso unkonkret wie die „Bedrohungen“ und ist damit Projektionsfläche für unbestimmte Ängste und dumpfe Vorurteile. Bei Fragen nach der kulturellen Identität wird von einer überzeitlichen identitären Homogenität der „Deutschen“ bzw. dem „Volk“ ausgegangen, deren Kern bzw. Werte und kulturellen Traditionen etc. auf die man sich beruft, unbestimmt zwischen „Eigenem“ und „Fremden“ bleiben. Jenem „deutschen Volk“ wird von der AfD auch ein hegemoniales Mandat gegenüber Parlament und Medien zugeschrieben, was mit einer Ablehnung von Institutionen einher geht. Da die AfD nicht definieren kann wer oder was „deutsch“ ist, muss sie ihren historisch kulturell-sprachlichen Ansatz überhöhen („Volksgemeinschaft“), der konzeptionell ins Leere läuft. Die AfD offenbart ein monolithisches, statisches, ausschließendes und konservierendes Kulturverständnis, das darauf abzielt, dass sich nichts ändern darf und soll. Ein weiter und pluralistischer Kulturbegriff („Multikulti ist gescheitert.“) wird abgelehnt und stattdessen ein kulturalistischer Rassismus gepflegt.

Während im Westen der Bundesrepublik eher rechts-konservative und wirtschaftsliberale Töne zu vernehmen sind, werden von der AfD in Thüringen und insbesondere in Sachsen-Anhalt völkisch-nationale Ansichten vertreten, die sich auch im außer-parlamentarischen Raum formieren. Es gibt Verbindungen zu den Neuen Rechten, Ablegern von PEGIDA & Co. und zur „Identitären Bewegung“. Das Landtagswahlprogramm der AfD Sachsen-Anhalt sticht noch in anderer Weise besonders hervor, denn dort finden sich Ansichten einer autoritären Kulturpolitik, die eine programmatische Reise ins 19. Jahrhundert sind: hin zu nationaler Heimatliebe und „preußischen Tugenden“, zensierter Kunst und Kultur mit staatlichen Vorgaben zur Abwehr einer „Internationalisierung aller Lebensbereiche“ und der „multikulturellen Gesellschaft“. Dem fehlenden „Mut zu unserer deutschen Leitkultur“ soll mit deren „Pflege“ entgegengesteuert werden. Von Museen, Orchestern und Theatern fordert man die „Pflicht, einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern“, wenn die „Bühnen des Landes Sachsen-Anhalt neben den großen klassischen internationalen Werken stets auch klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen.“ Hans-Thomas Tillschneider erläutert dies in einem TV-Interview: Die deutschen (!) Stücke müssten beim Zuschauer „ein gutes Gefühl für deutsche Geschichte hinterlassen…„ Er fordert ein: „Bekenntnis zu Strenge, Form und Stil“ und lehnt die „Formlosigkeit, die keinen Begriff für Stil kennt“ ab, denn sie habe „keine echte Ästhetik.“ Kunst und Ästhetik sollen nach dem Willen der AfD im Sinne einer nationalen Identitätsfindung instrumentalisiert werden. Dies ist nicht nur klar grundgesetzwidrig, sondern erinnert schmerzhaft an die beiden letzten Parteien, die programmatisch Einfluss auf Kunst und Kultur genommen haben, die NSDAP und die SED.

Die AfD kennt nur eine „deutsche Leitkultur“, die sich aus drei Quellen speist: erstens „die religiösen Überlieferung des Christentums, zweitens der wissenschaftlich-humanistischen Tradition, deren antike Wurzeln in Renaissance und Aufklärung erneuert wurden, und drittens dem römischen Recht, auf dem unser Rechtsstaat fußt.“ Interessant sind die Auslassungen und damit die Ablehnung eines transnationalen Kultur- und Geschichtsverständnisses. In diesen Kontext fügt sich auch das Geschichtsverständnis, wenn es bereits in der Präambel des Landtagswahlprogramms in Sachsen-Anhalt heißt „eine einseitige Konzentration auf zwölf Unglücksjahre unserer Geschichte verstellt den Blick auf Jahrhunderte, in denen eine einzigartige Substanz an Kultur und staatlicher Ordnung aufgebaut wurde…“ Die Zeit des Nationalsozialismus als „unglücksselig“ abzutun, ist verharmlosend und denunziert die differenzierte Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte als fremdbestimmt.

Eine Kampfansage sind die wenigen Aussagen zur öffentlichen Finanzierung von Kunst und Kultur. Im Grundsatzprogramm heißt es: „Wir halten ein gewisses Minimum an staatlichen Kultursubventionen für 
unumgänglich, die jedoch an die selbst erwirtschafteten Einnahmen der Kulturbetriebe zu 
koppeln sind.“ Was einer Freigabe von Kunst und Kultur an die Regulierungskräfte des freien Marktes gleichkommt. Das Zurückdrängen des „Einflusses der Parteien auf das Kulturleben“ wird mit einer „Ausrichtung an fachlichen Qualitätskriterien“ und „ökonomischer Vernunft“ begründet. Im Wahlprogramm für Sachsen-Anhalt dagegen heißt es mit der Überschrift „Mehr Geld für Kultur!“: „Kulturpflege gibt es nicht zum Nulltarif.
… Die in den letzten Jahren zusammengestrichenen Zuschüsse etwa zur Landesbühne Sachsen-Anhalt sind in voller Höhe wieder zu gewähren.“

Die AfD vertritt völkische Positionen die Minderheiten ausgrenzen, sich gegen Gleichberechtigung und Toleranz wenden und ein autoritäres Kultur- und Weltbild zeigen. Es ist in Teilen ein ungeordneter und widersprüchlicher Mix von kulturpolitischen Vorstellungen, die sich gegen eine moderne offene Gesellschaft und die im Grundgesetz verfasste Freiheit von Kunst und Kultur wenden.

Zuerst erschienen in Kulturpolitische Mitteilungen, Heft 153, II / 2016, S. 8.

Autorin

Manuela LückManuela Lück
Manuela Lück, Referentin der SPD-Landtagsfraktion für Bildung und Kultur sowie Arbeit, Soziales und Integration studierte Neuere und Neueste Geschichte, Literaturwissenschaften und Journalismus. Ist seit Jahren aktiv in der Kulturpolitik.